Biografie

Karl August von Hardenberg war Verwaltungsbeamter, Diplomat, Gutsherr, Lebemann, einer der großen Staatsreformer des 19. Jahrhunderts und einer der führenden Staatsmänner im europäischen Konzert der Großmächte.

Jugend und erste Dienstjahre in Hannover
Geboren am 31. Mai 1750 im niedersächsischen Essenrode als Sohn des nachmaligen kurfürstlich hannoverschen Feldmarschalls Christian Ludwig von Hardenberg und seiner Frau Anne Sophie Ehrengart, geb. von Büllow, wuchs H. zeitweilig unter der Obhut seines Onkels, des hannoverschen Geheimen Rats und Kriegspräsidenten Friedrich Carl von Hardenberg auf. Die Erziehung, die im Zeichen der Aufklärung stand, wurde von Hofmeistern wahrgenommen, aber H. besuchte zeitweilig auch das private Lyzeum des Ludwig Wilhelm Ballhorn in Hannover. 1766 schrieb er sich an der Universität Göttingen ein, wo er unter anderem bei Lichtenberg an einem Privatissimum in Mathematik teilnahm. Zu seinen übrigen Göttinger Lehrern gehörten Gatterer und Heyne. 1768 wechselte H. nach Leipzig, wo er Gellert hörte und mit seinem Kommilitonen Goethe Bekanntschaft schloss. 1769-1770 beendete Hardenberg seine Studien in Göttingen mit juristischen Übungen bei Pütter. 1771 trat H. in die kurfürstliche Justizkanzlei zu Hannover ein, wechselte aber noch im selben Jahr als Auditor in die Kammer. 1772 begab H. sich auf seine Kavalierstour, die ihn u. a. auf das Familiengut der Reichsfreiherrn vom Stein nach Nassau führte.

In Wetzlar lernte er das Reichskammergericht kennen, besuchte Regensburg, Wien, Dresden und Berlin und 1773 die Niederlande sowie den Hof Georgs III. von Großbritannien und Hannover. 1773 wurde H. zum Kammerrat ernannt. H.s Vater hatte inzwischen das Gut Löhrstorf bei Heiligenhafen in Ostholstein gekauft. 1774 vermählte sich H. mit der ebenfalls in Holstein begüterten Gräfin Christiane von Reventlow (1759-1793), wurde königlich dänischer Kammerherr und legte sich den Doppelnamen Hardenberg- Reventlow zu. Zum Vermögen, dessen Nießbrauch H. jetzt zustand, gehörte auch Schloss Krenkerup auf Lolland in Dänemark, wo H. mehrfach den Sommer verbrachte und zur Jagd ging. Gleichzeitig immer noch Kammerrat in Hannover, musste H. ausgiebige Revisionsreisen durch das Kurfürstentum unternehmen. In einer Denkschrift von Anfang 1780 finden sich Reformgrundsätze H.s, die auf eine Durchrationalisierung der Verwaltung Kurhannovers abzielten. Kurz vor Beginn des Bayerischen Erbfolgekriegs machte sich H. auch Gedanken über ein enges Zusammengehen Hannovers mit Preußen. 1781 siedelten H. und seine Frau für längere Zeit nach London und Windsor über, in der Hoffnung, eine Karriere in britischen Diensten machen zu können. Stattdessen entstand ein Skandal um die Hardenbergs und den Prinzen von Wales, den späteren Georg IV., da dieser Interesse für H.s junge Gemahlin gezeigt hatte.

Im Herzogtum Braunschweig
H. schied aus dem hannoverschen Dienst aus und trat als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Titel Exzellenz in die Dienste der Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig. Ganz offensichtlich war H. als künftiger leitender Minister des Herzogtums in Aussicht genommen. Am 28. Mai 1786 legte H. dem Herzog eine Reformdenkschrift vor, in der er eine Verwaltungsreform vorschlug. Künftig sollten drei Fachminister an die Spitze der ausführenden Behörden treten und eine enge Verbindung zwischen dem Conseil des Fürsten und der Bürokratie herstellen. In einem reichsrechtlichen Gutachten, das der Herzog bei ihm angefordert hatte, führte H. aus, dass die Reichsstände das Recht zu Verträgen gegen Kaiser und Reich besäßen, wenn der Kaiser gegen die Fundamentalgesetze des Reiches verstoße. Von jetzt an wurde H. in die Verhandlungen über den von Preußen geführten Fürstenbund eingeweiht. In einem weiteren Reformprojekt schließlich schlug H. dem Herzog von Braunschweig vor, dem landeskirchlichen Konsistorium die Schulaufsicht im Herzogtum zu nehmen und diese einem neu zu gründenden Schuldirektorium zu übertragen, dessen Chef er schließlich selbst geworden ist. Das Direktorium sollte dazu dienen, das Bildungswesen im Geist der Aufklärung, wie er von dem Pädagogen Johann Heinrich Campe vertreten wurde, umzugestalten. Am Widerstand der Landstände scheiterte diese Reform, und H. musste 1790 eine herzogliche Verordnung entwerfen, in der das Schuldirektorium wieder aufgehoben wurde. 1787 hatte H. seine Scheidung von Juliane von Reventlow eingeleitet, um 1788 seine Jugendfreundin Sophie von Lenthe geb. von Haßberg heiraten zu können. Unzufriedenheit mit den braunschweigischen politischen Verhältnissen und das Aufsehen der Scheidung ließen es H. geraten erscheinen, sich nach einer neuen Stellung umzusehen.

Minister für die fränkischen Provinzen
Friedrich Anton von Heynitz, ein Pate H.s, vermittelte die Berufung in den Dienst König Friedrich Wilhelms II. von Preußen, der einen Minister suchte, dem er die Verwaltung der Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth übertragen konnte. Zunächst trat H. 1790 in die Dienste des Markgrafen Karl Alexander. Schon 1791 aber wurde H. zum königlich preußischen Staats- und Kabinettsminister ernannt, und aufgrund einer Erbverbrüderung gingen Ansbach und Bayreuth zum 1. Januar 1792 in preußischen Besitz über. Seit 1794 war H. als Quasi-Gouverneur der fränkischen Provinzen dem König in Berlin immediat unterstellt. Nach den zwei vergeblichen Anläufen in Hannover und Braunschweig bot sich damit für H. ein drittes Mal die Gelegenheit, seine Reformideen umzusetzen, die in der Zwischenzeit an Klarheit gewonnen hatten. Er arbeitete vor allem daran, eine geschlossene Landeshoheit in den Territorien herzustellen, in denen die Markgrafen von Ansbach und Bayreuth Rechte hatten. Dabei stieß das rationalistische Rechtsverständnis H.s auf den Traditionalismus der fränkischen Stände. H.s Vorgehen kam aus traditioneller Sicht teilweise einem Rechtsbruch gleich. Sporteln wurden abgeschafft, das Beamtenwesen nach preußischem Standard verstaatlicht. Franken wurde zu einem Laboratorium des rationalistischen bürokratischen Staates mit straffem Instanzenzug. H. schuf sein Werk mit einer Mannschaft ehrgeiziger junger Fachleute, unter denen sich einige soziale Aufsteiger befanden, und aus denen er einige der Spitzenbeamten der preußischen Reformzeit rekrutiert hat.

Seit 1792 befand sich Preußen im Krieg mit dem revolutionären Frankreich. Da Preußen sich auch verantwortlich fühlte, das Deutsche Reich zu decken, wurde Hardenberg die Aufgabe übertragen, die Stände der sechs von der französischen Invasion am meisten betroffenen deutschen Reichskreise zu den Kosten des Krieges heranzuziehen. Bevor dies jedoch umgesetzt werden konnte, entschied sich König Friedrich Wilhelm II. dazu, Friedensverhandlungen mit Frankreich einzuleiten. Nach dem Tod des bisherigen Unterhändlers wurde H. nach Basel entsandt, wo er am 5. April 1795 den Separatfrieden zwischen Preußen und der Französischen Republik abschloss. Es gelang ihm dabei, mit Frankreich eine Neutralitätslinie zu vereinbaren, in deren Schutz Preußen und Norddeutschland einen zehnjährigen Frieden genossen, während der Süden weiterhin von den Kämpfen zwischen Frankreich, Österreich und Russland heimgesucht wurde. Allerdings musste H. zugestehen, dass die französischen Armeen auf dem linken Rheinufer stehen blieben, was der Vorwegnahme einer Abtretung dieses Landes gleichkam, die dann schließlich im Frieden von Lunéville 1801 völkerrechtlich verbindlich geworden ist. Dem preußischen Kronprinzen hat H. 1796 und 1797 Reformvorschläge zukommen lassen, von denen er hoffen konnte, dass sie nach dem 1797 erfolgten Regierungswechsel durch den neuen Herrscher Friedrich Wilhelm III. umgesetzt werden würden.

1798 wurde zunächst das fränkische Ministerium dem preußischen Generaldirektorium eingegliedert, was zur Folge hatte, dass H. seine prunkvolle Hofhaltung in Ansbach, in Triesdorf und in der Bayreuther Eremitage aufgeben und nach Berlin übersiedeln musste. Am 1. Juli 1803 schloss H. mit dem bayerischen Minister Maximilian Graf von Montgelas einen Grenzvertrag, der - nun schon ganz im Geist des Reichsdeputationshauptschlusses - bestimmte, "alle Gemeinschaft und Vermischung der Rechte und Besitzungen in den beiderseitigen Gebieten dergestalt durchaus aufzuheben", dass keinem Teil mehr innerhalb der Grenzen des anderen irgendwelche Rechte zustehen würden.

Außenminister in Preußen
Da H. den Rang eines Kabinettsministers innehatte, was traditionell auch die Zuständigkeit für die Außenpolitik einschloss, war es keine Überraschung, dass H. nach dem Tod der beiden älteren Kabinettsminister und dem Rückzug des verbliebenen, des Grafen von Haugwitz, ab August 1803 auch in die große Politik eintrat. Der Form nach blieb H. dabei ein Vertreter des Grafen von Haugwitz. H. amtierte von August bis Oktober 1803 und von April 1804 bis April 1806. In diesem Zeitraum erwarb er sich den Ruf eines entschlossenen Napoleongegners und Anhängers eines Bündnisses mit England. Dass dieser Ruf nur teilweise berechtigt war, wissen wir heute aus der Lektüre der Akten und der Tagebücher H.s. Sowohl Frankreich als auch die Zweite (1799) und die Dritte Koalition (1805) umwarben Preußen mit Bündnisangeboten.

H. ebenso wie Haugwitz waren sich bewusst, dass die Mittellage für Preußen verhängnisvolle Konsequenzen haben konnte. Es drohte auf jeden Fall zum Kampfplatz zu werden. Jedoch wünschte sich König Friedrich Wilhelm III. nichts sehnlicher, als sein Land aus den Händeln der Welt herauszuhalten. Als Kaiser Alexander I. von Russland damit drohte, die preußische Neutralität zu verletzen, rief der König Haugwitz zurück und ordnete an, dass H. und Haugwitz nunmehr gemeinsam die Außenpolitik zu verwalten hätten. Bei einem Besuch Alexanders in Potsdam konnte die Krise beigelegt werden. Alexander vermied dabei jeden Umgang mit Haugwitz und wandte sich demonstrativ nur an H. Der preußisch-russische Vertrag vom 3.November 1805 bestimmte, dass Preußen die bewaffnete Vermittlung zwischen Frankreich und der Koalition übernehmen würde. Sollte Frankreich die zwischen Preußen und den Alliierten vereinbarten Bedingungen nicht annehmen, würde Preußen sich der Koalition anschließen. Haugwitz wurde zu Napoleon entsandt, um diese Vermittlung auszuführen. Er kehrte jedoch aus Schönbrunn, wo er Napoleon getroffen hatte, mit einem Allianztraktat zurück, der Preußen an Frankreich band. Als Beute sollte Preußen Hannover erhalten.

Unter dem Vorsitz des Königs beschloss eine Konferenz, an der auch H. teilnahm, im Januar 1806, dass die preußische Armee, die seit Monaten auf dem Kriegsfuß stand, wieder demobilisiert werden sollte, da die Kosten der Mobilmachung nicht mehr vertretbar zu sein schienen. Infolgedessen war man wehrlos, als Haugwitz, der nach Paris entsandt worden war, um den Vertrag von Schönbrunn nachzubessern, stattdessen mit noch schlechteren Bedingungen zurückkehrte. Unter anderem musste Preußen seine Häfen der britischen Schifffahrt verschließen, was Großbritannien mit der Kriegserklärung an Preußen beantwortete. Napoleon andererseits ließ wissen, dass er mit einem Preußen, das von H. vertreten wurde, nicht verbündet sein könne. H. ließ sich deshalb am 30. März 1806 beurlauben, vereinbarte aber mit dem König, dass er von seinem 1800 erworbenen Gut Tempelberg in der Mark aus einen geheimen Briefverkehr mit St. Petersburg unterhalten werde, während Haugwitz Napoleon bei guter Laune halten sollte. Der König hatte bereits kein Vertrauen in das französische Bündnis. Gemeinsam mit dem Freiherrn vom Stein begann H., ab Frühjahr 1806 für eine Änderung im Regierungsstil Friedrich Wilhelms III. zu kämpfen. Die Regierung "aus dem Kabinett" bedeutete bisher, dass der Monarch von den meisten Ministern isoliert war und von Kabinettsräten als "Ministern hinter der Gardine" gelenkt werden konnte, die ihrerseits der Öffentlichkeit gegenüber nicht verantwortlich waren. Stattdessen sollte der König mit einem "Conseil" regieren, wie H. es schon 1797 dem Kronprinzen vorgeschlagen hatte.

Die unglückliche Schaukelpolitik Preußens zwischen Ost und West wurde von H., Stein und einigen Mitstreitern auch auf den Regierungsstil zurückgeführt. Anders als Stein verzichtete H. jedoch darauf, den König in Denkschriften über seine Umgebung aufzuklären, sondern suchte Einfluss über die Königin Luise zu nehmen, die ihm schon damals sehr gewogen war. Die aus Paris eingetroffene Meldung, Napoleon wolle Preußen die hannoversche Beute wieder entreißen, um einen Frieden mit England vorzubereiten, bestimmte Friedrich Wilhelm III. dazu, erneut die Mobilmachung anzuordnen. Am 12. Oktober 1806 erfuhr H., der sich in Tempelberg aufhielt, dass der Krieg zwischen Preußen und Frankreich begonnen hatte; am 17. erreichte ihn die Nachricht von der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt. H. verließ Tempelberg und schloss sich der Flucht des Hofes an, die erst in Königsberg zur Ruhe kam. Dort entschied sich der König, künftig mit einem Conseil regieren zu wollen, in dem H. Innen- und Stein Außenminister werden sollte. Dieses Conseil kam jedoch, unter anderem wegen des Zerwürfnisses zwischen dem König und Stein, niemals zustande. Hof und Regierung flohen weiter nach Memel. Nach einem Intermezzo mit dem Obersten Zastrow als Außenminister wurde H. im April 1807 zum Ersten Kabinettsminister ernannt, dem der König weitreichende Vollmachten verlieh, und der auch wieder für die Außenpolitik zuständig war. H. stand nun dem König zur Seite, bis in Tilsit der Friede zwischen Preußen und Frankreich geschlossen wurde. Napoleon gab zu erkennen, dass H. nicht tragbar sei. Bei Gelegenheit seines heimlichen Abschieds trug ihm der König am 11. Juli 1807 auf, seine Ansichten über die künftige Politik und Verwaltung Preußens darzulegen, eine Aufgabe, deren sich H. mit der auf den 12. September 1807 datierten Denkschrift von Riga entledigt hat.

Im erzwungenen Ruhestand
Von Riga aus plante H. nach Dänemark überzusetzen, um auf den Gütern seines inzwischen in den dänischen Staatsdienst eingetretenen Sohnes aus erster Ehe, Lehnsgraf Christian Heinrich August von Hardenberg-Reventlow, das Exil zu verbringen. Jedoch hatte der Sohn es übel genommen, dass H. am 19. Juni 1807 seine dritte Ehe mit seiner bisherigen Mätresse, der Schauspielerin und Sängerin Charlotte Schönemann, eingegangen war. H. verzichtete auf die Reise nach Dänemark und hielt sich stattdessen zuerst in Riga als Gast eines befreundeten Bankiers und ab Februar 1808 in Tilsit auf. Am 11. November 1808 traf er sich heimlich mit dem König in der Nähe von Königsberg und riet ihm, sich vom Freiherrn vom Stein zu trennen, der als H.s Nachfolger ein Jahr lang Premierminister Preußens gewesen war. Stein hatte jedoch Aufstandspläne gegen Napoleon ventiliert, was dessen Spitzeln bekannt geworden war. H. stellte dem König eine neue Ministerliste zusammen; in dem neuen Ministerium sollte H.s Lieblingsschüler aus der fränkischen Zeit, Karl Sigmund Freiherr vom Stein zum Altenstein, das Finanzressort erhalten. Am 10. Dezember 1808 traf, nach mehr als zwei Jahren, das Ehepaar H. wieder in Tempelberg ein. H. kaufte und verkaufte sowie tauschte weiterhin seine Güter; aus finanziellen Engpässen befreiten ihn Hilfen aus der Staatskasse.

Ernennung zum Staatskanzler
Nachdem das Ministerium Dohna-Altenstein sich als unfähig erwies, den regelmäßigen Transfer der Kontribution an Frankreich zu gewährleisten, forderte der König von H. ein Finanzgutachten an. Inzwischen signalisierte Napoleon, dass er gegen eine Rückkehr H.s in den Staatsdienst keine Einwände mehr habe, und so wurde H. mit Kabinettsorder vom 4. Juni 1810 zum Staatskanzler ernannt. Er schien die beste Gewähr zu bieten, dass Preußen seine Verpflichtungen gegenüber Frankreich einhalten konnte. H. erhielt kein festes Gehalt, sondern die Erlaubnis, sich "das Notwendige" aus der königlichen Kasse selbst zu bewilligen. Außerdem wurde geregelt, dass H. das Recht erhalten sollte, bei jedem Vortrag im Kabinett zugegen zu sein. Der Staatskanzler hatte fortan die Möglichkeit, den Umgang der Minister mit dem König zu kontrollieren. Im Herbst 1810 erschienen die ersten Edikte, die erkennen ließen, mit welcher Energie H. jetzt das napoleonische Konzept einer Bündelung aller Kräfte und Kompetenzen in einer Hand - hinter der Fassade des weiter bestehenden monarchischen Absolutismus - auf Preußen anzuwenden gedachte: Am 27. Oktober kam die noch in Steins Amtszeit konzipierte, jetzt aber charakteristisch umgearbeitete "Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden" heraus, dazu mit dem Datum desselben Tages das von H. selbst formulierte "Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben u.s.w."

Von zentraler Bedeutung war die im Finanzedikt angekündigte "vollkommene Gewerbe-Freiheit". Sie erschien als die Voraussetzung, um ein stetiges Wirtschaftswachstum in Gang zu setzen, das wiederum für die Überwindung der Finanzmisere und die Wiederherstellung einer Handlungsfähigkeit des Staates erforderlich schien. Ebenfalls findet sich im Finanzedikt das erste der so genannten "Verfassungsversprechen" des Königs von Preußen. Im neuen bürgerlichen Zeitalter würde nur der Staat dauerhaft Zugang zu finanziellen Ressourcen erhalten, der in irgendeiner Form von Parlamentarismus seinen Steuerzahlern sowie den Zeichnern seiner Staatsanleihen Einblick in sein Finanzgebaren gewähren würde. Aus solchen Ahnungen heraus berief H. 1811 eine Versammlung von Notabeln der Monarchie, die über Einzelheiten des Steuersystems beraten sollte, und ließ 1812 sogar eine "interimistische Nationalrepräsentation" aus gewählten Abgeordneten zusammentreten, deren Tätigkeit allerdings in den Schatten der Befreiungskriege geriet und eingestellt wurde.

Die zwei wichtigsten Agrarreformgesetze, die sich mit H. verbinden: das Regulierungsedikt und das "Edikt zur Beförderung der Land- Cultur", stammen vom 14. September 1811. Im Regulierungsedikt war vorgezeichnet, wie die Bauern, die die Verfügung über ihr Land mit ihren Gutsherren hatten teilen müssen, zu freien Eigentümern ihres Bodens werden konnten. Schließlich sollte das "Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate" vom 11. März 1812 nicht vergessen werden, das die Konsequenz aus der Tatsache zog, dass in einer Gesellschaft, die die Ständeschranken aufhob, auch für eine sonderständische Gruppe, wie sie die Juden bislang dargestellt hatten, als Gruppe kein Platz mehr war, die Juden mithin zu Staatsbürgern gemacht werden mussten. Das Jahr 1811 war außerdem mit außenpolitischen Überlegungen ausgefüllt. Je mehr sich die Entfremdung zwischen Frankreich und Russland abzeichnete, desto drängender wurde die Frage, wie sich Preußen zwischen den beiden Kolossen positionieren sollte. Nach langer Unentschiedenheit sprach sich H. für einen unzweideutigen Anschluss an Russland aus, während Friedrich Wilhelm III. die Meinung vertrat, Preußen müsse sich auf die Seite Frankreichs schlagen, da Russland sich seit Tilsit nicht so verhalten habe, wie man es von einem Vertrauen erweckenden Verbündeten erwarten müsse. Der König setzte sich mit seiner Ansicht durch, und am 24. Februar 1812 wurde der französisch-preußische Allianzvertrag in Paris unterzeichnet.

Befreiungskriege und Wiener Kongress
Am 2. Januar 1813 erfuhr H. davon, dass der preußische General Yorck in Tauroggen die Neutralisierung des an Frankreichs Seite im Krieg gegen Russland stehenden preußischen Korps vereinbart hatte. Yorck drängte den König dazu, weiter zu gehen und sich gegen Napoleon zu wenden. Erst als feststand, dass Russland nach Erreichen der schlesischen Grenze bereit war, den Krieg fortzusetzen, konnte sich auch ein preußischer Entschluss bilden, in diesen Krieg mit aller Macht einzutreten. Während der nun folgenden Kriegsmonate zog H. mit dem alliierten Hauptquartier durch Deutschland und Böhmen. Am 20. Oktober 1813 besuchte er das Schlachtfeld von Leipzig. In Frankfurt am Main setzte sich H. während des November und Dezember 1813 dafür ein, den Feldzug in das Innere Frankreichs hinein fortzusetzen. Am 9. März 1814 unterzeichnete H. die preußische Beitrittserklärung zur Allianz von Chaumont, mit der sich die Großmächte einschließlich Englands verpflichteten, auf zwanzig Jahre gegen alle Versuche Frankreichs, das Gleichgewicht zu stören, zusammenzuhalten. Schon im April 1814 entwarf H. auch die Grundzüge der späteren deutschen Bundesakte. Nachdem am 30. Mai 1814 der Erste Friede von Paris unterzeichnet worden war, reiste H. mit dem König und den übrigen Staatsmännern der Siegermächte nach London. Unterwegs wurde ihm das am 3. Juni 1814 in Paris ausgestellte Diplom Friedrich Wilhelms III. ausgehändigt, in dem H. in den erblichen Fürstenstand erhoben wurde. (Am 11. November, auf dem Wiener Kongress, machte der König den Fürsten H. zum erblichen Standesherrn auf den Gütern Quilitz, Rosenthal und der ehemaligen Kommende Lietzen, die unter dem Namen Neuhardenberg zusammengefasst wurden. Mit Karl Friedrich Schinkel als Architekten und seinem zweiten Schwiegersohn, dem Grafen Pückler, als Gartenplaner hat H. später seine Besitzung in ein Kleinod klassizistischer Baukunst verwandelt.)

Nach Berlin heimgekehrt, empfing H. den Besuch seines Sohnes Christian, der als Bevollmächtigter des Königs von Dänemark am 25. August 1814 mit ihm den Frieden zwischen Preußen und Dänemark abschloss, auch "Hardenbergscher Familienfrieden" genannt. Kurz darauf brach H. nach Wien auf, um zusammen mit Wilhelm von Humboldt Preußen auf dem dortigen Kongress zu vertreten. Der ebenfalls teilnehmende König legte sich in Wien auf eine blinde Unterstützung des Zaren Alexander fest und H. musste sich von diesem zurechtweisen lassen. Den schließlichen Kompromiss in der polnisch-sächsischen Streitfrage handelte dennoch H. mit dem britischen Außenminister Lord Castlereagh aus. Um nicht neben den süddeutschen Staaten mit leeren Händen dastehen zu müssen, wollte H. in Wien auch den Entwurf einer preußischen Verfassung ausarbeiten lassen, musste sich aber schließlich damit begnügen, dem König ein neues Verfassungsversprechen abzuringen, das Friedrich Wilhelm III. am 22. Mai 1815 vollzogen hat. Am 9. Juni 1815 unterzeichnete H. die Wiener Kongress-Akte und kehrte nach Tempelberg zurück, von wo er bald wieder aufbrach, um nach Napoleons endgültiger Niederwerfung den Zweiten Pariser Frieden zu schließen. Kurzzeitig kam es in Paris zu einer schweren Autoritätskrise H.s gegenüber dem preußischen Militär, die vom König durch die Auflösung des Oberkommandos der preußischen Frankreicharmee beigelegt werden musste.

Das unvollendete Reformwerk
Der endlich wieder hergestellte Frieden ließ H. auf sein unvollendetes Reformwerk zurückkommen. Die Steuergesetzgebung war abzuschließen, das bedrohliche Haushaltsdefizit musste ausgeglichen werden, die Verwaltungsgliederung war zu vollenden, und als Schlussstein des Reformwerks blieb immer noch die Verfassungsgebung offen. Das Zollgesetz von 1818, das H. durch die Beratungen des preußischen Staatsrats brachte, schuf um die Monarchie eine einheitliche Zollaußengrenze, während Binnenzölle aufgehoben waren. Es stellte eine wichtige Voraussetzung des späteren Zollvereins dar. Im Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820 brachte H. ein weiteres königliches Verfassungsversprechen unter. Weitere Schulden sollten nur noch unter Zustimmung neu zu berufender "Reichsstände" aufgenommen werden können.

Das Klima wurde jedoch den Reformen immer ungünstiger. Um sich im Amt zu halten, musste H. mehr und mehr dem Drängen Metternichs auf Repression gegen die liberale Opposition unter Studenten und Intellektuellen nachgeben. Ausgerechnet die reformorientierten Minister in der preußischen Regierung - Wilhelm von Humboldt und Karl Friedrich Beyme - protestierten gegen die mit der Demagogenverfolgung verbundene Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Zusammen mit dem Kriegsminister Hermann von Boyen wurden sie 1819 entlassen. Damit hatte sich H. zwar eines möglichen Rivalen um das Staatskanzleramt - Humboldts - entledigt, musste aber auch eine Schwächung seiner eigenen Position hinnehmen. Auf den europäischen Kongressen von Aachen (1818), Troppau (1820), Laibach (1821) und Verona (1822) konnte Preußen, das durch H. repräsentiert wurde, keine starke Position behaupten. Preußens Haushaltsdefizit erlaubte es nicht, an den auf diesen Kongressen beratenen gegenrevolutionären Interventionen teilzunehmen. Teilweise musste H. auch für die Unlust Friedrich Wilhelms III. geradestehen, an den Kongressen überhaupt teilzunehmen. Während einer von Laibach aus angetretenen Romreise H.s arbeitete eine vom König eingesetzte Kommission zur Prüfung der Reformgesetze einen Bericht aus, der das Datum des 21. März 1821 trug und dem König vorschlug, von einer Verfassung für den preußischen Gesamtstaat vorläufig Abstand zu nehmen.

In Rom zeigte sich H. als beflissener Bildungsreisender, jedoch konnte er auch einen diplomatischen Erfolg verzeichnen, als er sich mit der römischen Kurie über die Einteilung der Bistümer in den Grenzen von 1815 und über die materielle Ausstattung der katholischen Kirche einigte. Die Vorarbeiten hatte der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Barthold Georg Niebuhr, geleistet. H.s dritte Ehe litt darunter, dass H. sich eine junge Frau namens Friederike Hähnel ins Haus genommen hatte. Sie hatte sich als "somnambules Medium" empfänglich erwiesen für die Therapiemethode des "tierischen Magnetismus", der von Franz Anton Mesmer entwickelt worden war und durch H. im preußischen Medizinsystem protegiert wurde. Am 24. Juni 1821 verließ die Fürstin H. ihren Gemahl für immer. Am 11. Juni 1821 teilte Friedrich Wilhelm III. H. mit, dass er sich statt Reichsständen vorläufig mit ständischen Repräsentationen für die einzelnen Provinzen begnügen wollte. Die Zusammenberufung der Reichsstände wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Sie fand erst unter dem Druck der Revolution von 1848 statt.

Es scheint, als hätte H. bis zum Ende seines Lebens vorgehabt, für sein Verfassungswerk zu kämpfen. Doch hatten seine Kräfte bereits bedenklich nachgelassen, und während die außenpolitischen Verwicklungen H. weiter beanspruchten, wich der König dem Verfassungsthema möglichst aus. Am 15. Oktober 1822 traf H. zum Kongress in Verona ein. Wesentliche Beschlüsse setzte er nicht mehr durch. Von Verona aus reiste H. nach Mailand, wo er an einem fieberhaften Katarrh und schwerem Asthma erkrankte. Man brachte ihn nach Genua, damit das Klima den Atemwegen günstiger sein sollte. Hier ist H. am 26. November 1822 gestorben. Der König erfuhr davon, als er sich gerade in Neapel aufhielt. Sein Kommentar gegenüber dem Kronprinzen lautete, dass Hardenbergs schwache Seiten seit einigen Jahren auf die Angelegenheiten des Staats einen nachteiligen Einfluss hervorgebracht hätten. Der Freiherr vom Stein dagegen nahm H.s Tod zum Anlass, der preußischen Monarchie zu "gratulieren." H.s Wohn- und Diensträume wurden versiegelt, seine Papiere vom König beschlagnahmt. Er wurde in Neuhardenberg beigesetzt, wo sich sein einbalsamiertes Herz auf dem Altar der Dorfkirche befindet.